Aufsatz von Herbert Greipl:

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Der Artikel von Julien Germain entspricht dem politischen Trend.

Natürlich sind die Kindesmisshandlungen verwerflich und wir alle –wir sind der Staat!- sind gehalten, solchen Frevel an unschuldigen wehrlosen Kindern zu verhindern.

Werner Winkelmann weist auf die Chronologie der Kindstötungen hin:

http://magazine.web.de/sidbabhdfg.1218879731.17923.qc9a9wj3wu.72.ijq/de/themen/nachrichten/panorama/5677654.html

Die Zahlen sind erschreckend.

Auffallend ist, dass die Zahl der Kindstötungen seit 2006 bis heute so extrem zugenommen hat, obgleich seit etlichen Jahren die Jugendämter gestärkt werden und ihr Einfluss auf die Familien zugenommen hat. Ich kenne kein Jugendamt, bei dem Stellen abgebaut wurden, jedoch weiß ich dass vielerorts zusätzliche Stellen eingerichtet wurden. Diese Stellen wurden meist mit Sozialpädagogen besetzt, bei denen man aufgrund ihrer Ausbildung von Qualifikation sprechen kann.

Trotz der besser besetzten Jugendämter haben die Freveltaten an Kindern zugenommen. Eigentlich müsste man eine Abnahme erwarten.

Die genannte Website listet nur die Kindstötungen auf, nicht die körperlichen und seelischen Misshandlungen, die aber auch eine wesentliche Rolle spielen. Auf die Zahlen will ich nicht eingehen, weil sie in der Presse mit der „Dunkelziffer“ manipuliert werden, je nachdem, ob für eine Präsentation gerade eine große oder kleinere Zahl misshandelter Kinder besser wirkt. Es gibt allerdings auch wissenschaftliche Untersuchungen dazu, auf die man sich verlassen kann (z.B. von Prof Ahmed, der gründlich hinterleuchtete, von wem die Gewalt ausgeht.)

Ob eine Verrohung unserer Gesellschaft auf dem Vormarsch ist, wie Julien Germain schreibt, sei dahin gestellt. Es gab wohl zu jeder Zeit der Geschichte diese Behauptung. Die Verrohung hatte stets eine dem Zeitgeist entsprechende Form.

Unseren heutigen Zeitgeist prägen materielle Werte, menschliche Werte treten in den Hintergrund. Dass da Hilflose besonders zu leiden haben, ergibt sich daraus, dass sie keinen materiellen Wert darstellen (sie können nicht arbeiten), aber menschliche Werte in Anspruch nehmen (Liebe, Zuneigung, unbezahlte Hilfe). Kindergeld, Erziehungsgeld, usw. sollen einen Ausgleich schaffen. Damit bekommen Kinder auch einen materiellen Wert.

Das verführt dazu, das Liebespotential für seine Kinder auf die Liebe zu ihrem materiellen Wert zu übertragen.

Wenn Menschen nicht ausreichend stabil (=emotional überfordert) sind, neigen sie zu Fehlhandlungen. Das Quälen oder Töten des eigenen Kindes kann die Folge sein. Ein Zeitgeist, der Geld vor Liebe stellt oder der Kindern ein Elternteil vorenthält, kann kaum emotional stabile Menschen heranwachsen lassen.

Darin sehe ich die Ursache für die Zunahme der Kindstötungen.



Wie Jugendämter bei diesen Gegebenheiten durch noch weitere Personalaufstockung und Ermächtigungen das Quälen oder Töten von Kinder verhindern soll, kann ich mir nicht vorstellen. Ich halte das für unmöglich. Die beste und strengste Kontrolle bringt da wenig, und auch die Justiz wird kaum Kinderleid verhindern können.

Abhilfe ist nur zu erwarten, wenn dem Stellenwert der intakten Familie (= Mutter + Vater + Kind(er)) die angemessene Bedeutung gezollt wird. Eltern müssen in die Lage versetzt werden, ihren Kindern die notwendige Liebe und Fürsorge zukommen zu lassen.

Der richtige Weg dazu ist, dass die Behörden und die Justiz sich weniger in die Familien einmischen, sondern, dass sie die Autonomie der Familien schützen und stärken.

Wir Bürger sollten davon aus gehen können, dass das Jugendamt einem Hinweis auf Kindesmisshandlung oder Verwahrlosung nachgeht (ohne das Kind mit Gerichtsbeschluss aus der Familie zu nehmen), aber diese Behörde für die Zunahme der Kindstötungen allgemein verantwortlich zu machen, geht an der Sache vorbei. Im Bedarfsfall sollen die Mitarbeiter beraten und helfen, aber keinesfalls die Familie zerreißen.



Nach meinen Beobachtungen –ich beschäftige mich seit einigen Jahren intensiv mit solchen Fällen- sind etwa 5 von hundert Kindesentziehungen im Kindeswohl, d. h. im besten Interesse des Kindes, bei weiteren 10 % sehe ich zwar bessere Lösungen, als eine Fremdunterbringung, aber die Fremdunterbringung ist wenigstens begründet. Bei 85 % der aus ihren Familien gerissenen Kindern ist dies eindeutig nachteilig für die Kinder. Sie würden sich in ihren Familien wohler fühlen und seelisch besser entwickeln. Sehr viele dieser Kinder werden durch die Unterbringung in Heimen und bei Pflegeeltern für ihr Leben seelisch geschädigt. Die besten Pflegeeltern, und seien sie die besten der Welt, können die eigenen Eltern nicht ersetzen, wenn die Kinder die Liebe ihrer Eltern empfunden haben. Darüber gibt es zuverlässige wissenschaftliche Studien (z.B. Prof. Fagan, Dublin).



So wird ist es, dass ich die enorme Zunahme der Inobhutnahmen von Kindern äußerst kritisch sehe.



Das Gesetz macht es den Jugendämtern sehr leicht, ein Kind aus einer Familie zu holen. Im Grunde genommen reicht eine Denunzierung eines Nachbarn oder sonst eine Auffälligkeit. (BGB § 1666, nach dem neuen FGG wird es noch leichter.)

Meint das Jugendamt, ein Kind entziehen zu müssen, beantragt es bei Gericht einen entsprechenden Beschluss. Dazu gibt es Gründe an.

Der Richter prüft diese selten nach. Oft fehlen ihm die Möglichkeiten dazu. Das Jugendamt gilt für ihn als vertrauenswürdig.



Das ist vorerst Beweis genug, um ein Kind (auch gegen seinen Willen oder den seiner Eltern) aus der Familie zu nehmen und in einem Heim oder bei Pflegeeltern unterzubringen. (Das Jugendamt hat z. B. den Verdacht geäußert, dass das Kind misshandelt werden würde.)



Man muss wissen, dass das Jugendamt unter den Behörden eine Sonderstellung hat: Es untersteht nur einer Dienstaufsicht (Landrat oder Oberbürgermeister), aber keiner Fachaufsicht. Deshalb ist weder eine Behörde noch ein Ministerium für die Kontrolle zuständig. Beschwerden über die fachliche Arbeit eines Jugendamtes können somit nirgends wirkungsvoll angebracht werden.

Für sachliche Beschwerden (z.B. schlampige Aktenführung, unvollständige Akten) ist zwar die Dienstaufsicht zuständig, da aber Oberbürgermeister und Landräte vor allem staatspolitische und wirtschaftliche Interessen verfolgen, haben die Jugendamtsmitarbeiter kaum etwas zu befürchten. (Ich habe da meine Erfahrungen gemacht.) Kinderheime füllen, Pflegeeltern bedienen, und die Prozesse um das Kind vor Gericht bringen viel Geld in Umlauf. Da müssen eben in unserer Gesellschaft, in der die materiellen Werte bestimmend sind, die besten Interessen eines Kindes hinten anstehen.



Das Gericht gibt nun ein Gutachten in Auftrag, z. B. über die Erziehungsfähigkeit der Eltern.

Bis das Gutachten fertig ist, bleibt das Kind bei Pflegeeltern oder in einem Heim. Dadurch wird es den Eltern entwöhnt. Dass das Kind durch die Trennung von seinen Eltern leidet, kümmert niemanden. Über die Folgen für das Kind und die Gesellschaft denkt offenbar auch niemand nach.

Da der Richter den Gutachter bestimmt, wird er immer einen auswählen, der in seinem Sinne arbeitet.

Jetzt kommt noch ein Verfahrenspfleger ins Spiel. Dieser soll nach Gesetz die besten Interessen des Kindes vertreten. Da er für seine Arbeit bezahlt wird und keine Differenzen mit dem Richter und den anderen Beteiligten will, entscheiden die Verfahrenspfleger häufig so, wie es der Gutachter vorschlägt.

Da der Gutachter auch Einblick in die Jugendsamtsakten hat, ist nicht ausgeschlossen, dass selbst beim Willen zur Objektivität, die Angaben des Jugendamtes das Ergebnis des Gutachtens beeinflussen.

Die betroffenen Eltern können außer ihrem Rechtsanwalt Beistände zu den Gerichtsterminen mitbringen. Die Beistände sind Zivilpersonen, die den Eltern beistehen. Normalerweise nimmt jeder Elternteil einen Beistand mit. Diese werden voll an der Verhandlung beteiligt. Das ist gut so, weil diese die Eltern, die meist nervlich am Ende sind, in ihrem Begehren, dass das entzogene Kind zu ihnen nach Hause zurückkehren kann, unterstützen. Hat ein Beistand fundiertes Fachwissen und deckt dadurch Fehler im Gutachten oder beim Verfahrenspfleger auf, die dem Richter erschweren, sich an das Gutachten zu halten, das ja seinen Vorstellungen entspricht, kann der Richter den Beistand in seinem Vortrag unterbrechen und ihn auffordern, die Ausführungen schriftlich ein zu reichen. Zudem kann das Gericht ein neues Gutachten in Auftrag geben, mit geänderter Fragestellung oder unter Berücksichtigung veränderter Ausgangslage.

Das Kind bleibt dann bis zum nächsten Termin im Heim oder bei Pflegeeltern.

An die Enttäuschung und die Belastung für das Kind und die Eltern denkt niemand.


Ich kenne Fälle, in denen den entzogenen Kindern in dieser Zeit immer wieder Schauermärchen über ihre Eltern erzählt wurden, sodass sie schließlich nicht mehr zu ihren Eltern zurück wollten und sich von ihrer Liebe zu den Eltern eine Angst vor den Eltern entwickelt hat. Dass dies einen inneren Zwiespalt beim Kind entwickelt, der zur Schizophrenie und damit zu einem lebenslangen Leiden des Kindes führen kann, wird jeder Psychologe oder Psychiater bestätigen.

Ich habe auch erlebt, dass erziehungsfähigen Eltern von Jugendamtsvertretern vor Gericht immer wieder gesagt wurde, sie müssten etwas tun, um ihre Erziehungsfähigkeit zu beweisen. Auf die folgende wiederholte Frage des Anwalts, was sie nun genau tun sollten, um dem zu entsprechen, gaben weder Jugendamtsmitarbeiter noch Richter konkrete Antworten und ließen so die Eltern im Unklaren. Dass dies die ohnehin seelisch höchst belasteten Eltern an den Rand der nervlichen Belastungsfähigkeit bringt, brauche ich nicht näher zu erklären.

Ich hoffe, mir ist es gelungen, darzustellen, dass betroffene Eltern und Kinder gegen das Zusammenspiel von Jugendamt, Justiz kaum eine Chance haben, und wie es zu der steigenden Zahl kommt.

Was ich geschrieben habe entspricht meinen Erfahrungen aus fast acht Jahren. Ich muss aber gerechtigkeitshalber anfügen, dass ich auch Gutachter. Verfahrenspfleger und Richter erlebt habe, die tadellose Arbeit in Verantwortung gegenüber den Kindern und ihren Eltern geleistet haben. Gelegentlich kann ich das auch einzelnen Jugendamtsmitarbeitern bestätigen.

Herbert Greipl


Trennungsväter e.V.