Zwischenzeitlich hat die FamRZ eine neue Entscheidung des AG Essen bzgl. der
Schadensersatzpflicht einer umgangsboykottierenden Mutter veröffentlicht
(FamRZ 2008, 717):


Nr. 380 AmtsG Essen — BGB §§ 823 I, 1684, 253
(Urteil v. 5.6 2007 — 18 C 216/04)
1.      Zur Schadensersatzpflicht des sorgeberechtigten Elternteils wegen
Nichtgewährung des Umgangs.
2.      Umgangsvereitelung begründet regelmäßig keinen Schmerzensgeldanspruch.


(Leitsätze der Redaktion)
Der Kl. und die Bekl. sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind die Kinder
K., geb. 1993, und I., geb. 1995, hervorgegangen. Die Kinder leben im
Haushalt der Mutter, der Bekl., welche auch allein sorge-berechtigt ist.
Durch Beschluss des FamG E. v. 20.12.2002 wurde zwischen den Parteien eine
Regelung des Umgangs mit den Kindern getroffen. ...
Entsprechend dem Beschluss hätte ein Umgang des Kl. mit den Kindern vom 7.
bis 9.5.2004 stattfinden sollen. . . . Der Kl. freute sich auf das
Zusammensein mit den Kindern an diesem Wochenende, da I. zum ersten Mal seit
vielen Jahren ihren Geburtstag bei und mit ihrem Vater hätte feiern können.
Aus diesem Grunde hatte der Kl. einen Wochenendausflug organisiert, wo er
mit seinen Kindern den Geburtstag von I. feiern wollte. Hierbei wurde von
dem IG. — unstreitig — für die Miete eines Ferienhauses ein Betrag i. H. von
180 € verauslagt.
Am 7.5.2004 erschien der Kl. gegen 14 Uhr an der Wohnung der Bekl. und
schellte dort, um die Kinder für dieses Wochenende abzuholen. Hierbei wurde
dem Kl. nicht aufgemacht. Am folgenden Samstag sowie Sonntag versuchte der
Kl. ebenfalls vergeblich, die Bekl. an deren Wohnung zu erreichen, um die
Kinder für den Umgang am Wochenende übernehmen zu können. Dabei scheiterte
die Übergabe der Kinder an den Kl. letztlich daran, dass die Bekl. zusammen
mit den Kindern den Geburtstag von I. feiern wollte, was auch geschah.
Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kl. von der Bekl. Schadensersatz i.
H. von 180 € wegen der vergeblich aufgewendeten Kosten für die Anmietung
eines Ferienhauses am Wochenende 7. bis 9.5.2004 für den Umgang mit den
Kindern.
Weiterhin verlangt der Kl. von der Bekl. Schadensersatz für immateriellen
Schaden wegen Vereitelung des Umgangs mit den Kindern am Kindergeburtstag
der Tochter I. am 9.5.2004 i. H. von 3.000 €. ... Die Bekl. behauptet:
Das Kind I. habe das Geburtstagswochenende v. 7. bis 9.5.2004 zu Hause bei
der Bekl. verbringen wollen. Als der Kl. klargestellt habe, dass er auf dem
Umgang mit den Kindern am Wochenende 7. bis 9.5.2004 bestehe, habe sie — die
Bekl. — nochmals mit der Tochter I. geredet, um diese umzustimmen. I. habe
aber geweint und allen Überredungsversuchen zum Trotz ihren Geburtstag
zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester feiern wollen. ...
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nur z. T. begründet.
Der Kl. kann von der Bekl. Zahlung eines Betrages i. H. von 180 € als
Schadensersatz wegen der vergeblich aufgewendeten Kosten i. H. von 180 € für
die Anmietung eines Ferienhauses am Wochenende 7. bis 9.5.2004 wegen des
vereitelten Umgangs mit den Kindern auf der Grundlage des § 823 I BGB i. V.
mit dem Umgangsrecht nach § 1684 BGB verlangen. Das Umgangs-recht eines
Elternteils gemäß § 1684 I BGB stellt ein „absolutes Recht” i. S. des § 823
I BGB dar, so dass dessen Verletzung bzw. Vereitelung
Schadensersatzansprüche auslösen kann. Damit folgt das Gericht der in der
neueren Kommentarliteratur überwiegend geäußerten Auffassung.
Die Bekl. hat dieses absolute Recht i. S. des § 823 I BGB dadurch verletzt,
dass sie den Umgang des Kl. mit den gemeinsamen Kindern am Wochenende 7. bis
9.5.2004 nicht zugelassen und damit verhindert hat, obwohl dem Kl. nach dem
zu diesem Zeitpunkt gültigen Beschluss des FamG ein Recht zum Umgang mit den
Kindern an diesem Wochenende zustand. .. .
Zwar bestand ein verständliches Interesse der Bekl. daran, als Mutter den
Geburtstag mit I. und deren Schwester gemeinsam feiern zu können, sodass sie
mit Email v. 30.4.2004 versuchte, mit dem Kl. eine Einigung dahingehend
herbeizuführen, dass sie das Wochenende 7. bis 9.5.2004 mit den Kindern
verbringen könnte. Da aber eine entsprechende Einigung mit dem Kl. in dieser
Weise nicht zu Stande kam, was angesichts des Antwortschreibens des Kl. v.
2.5.2004 eindeutig war, war die Bekl. gehalten, den Beschluss des AmtsG v.
20.12.2002 zu beachten und das Zusammensein des Kl. mit den Kindern am
Wochenende 7. bis 9.5.2004 zu ermöglichen.
Etwas anderes ergab sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Bekl.
womöglich dem Wunsch des Kindes I. nachkommen wollte, den Geburtstag
zusammen mit der Mutter und der Schwester verbringen zu können, und damit
womöglich dem Kindeswohl zu entsprechen. Vorliegend waren nämlich durch den
Beschluss des FamG v. 20.12.2002 Rechte und Pflichten des Elternteils zum
Umgang mit den Kindern durch eine familiengerichtliche Entscheidung
konkretisiert worden. Mit dem Wirksamwerden dieser familiengerichtlichen
Entscheidung waren alle Beteiligten an diese Konkretisierung des
Pflichtenrechts gebunden, was grundsätzlich die Befugnis des zur Gewährung
des Umgangs verpflichteten Elternteils ausgeschlossen hat, sich der
Wahrnehmung des so konkretisierten Pflichtrechts durch den anderen
Elternteil zu verweigern, mögen aus seiner Sicht auch beachtliche Gründe des
Kindeswohls gegen die familiengerichtliche Regelung sprechen. Denn kein
Elternteil war befugt, die ordnende Wirkung der familiengerichtlichen
Regelung durch eine eigene Bewertung des Kindeswohls zu ersetzen und damit
wirkungslos zu machen. Vielmehr wäre die Bekl. gehalten gewesen, eine nach
ihrer Meinung aufgrund des Kindeswohls erforderliche Abweichung von der
bestehenden familiengerichtlichen Regelung durch Anrufung des Gerichts und
Herbeiführung einer abweichenden Regelung zu ermöglichen.
Da die Bekl. dies unterlassen hat, hat sie schuldhaft das Umgangs-recht des
1(1. als ein absolutes Recht i. S. des 5 823 I BGB verletzt und ist dem Kl.
daher für einen entstandenen Schaden schadensersatzpflichtig.
Dagegen war die Klage insoweit abzuweisen, als der Kl. von der Bekl.
Schadensersatz für immateriellen Schaden wegen Vereitelung des Umgangs mit
den Kindern am Kindergeburtstag seiner Tochter I. am 9.5.2004 i. H. von
3.000 € verlangt.
Voraussetzung für den Ersatz von immateriellem Schaden gemäß § 253 1 BGB ist
die Verletzung eines der in § 253 II BGB benannten Rechtsgüter. Ein solches
Rechtsgut i. S. des § 253 II BGB ist vorliegend aber nicht durch die
Vereitelung des Umgangs mit den Kindern am Kindergeburtstag der Tochter I.
bezüglich des Kl. betroffen.
Zwar könnte grundsätzlich eine Gesundheitsbeeinträchtigung durch den
Schadensvorfall bei dem Kl. eingetreten sein, da hierunter jedes Hervorrufen
oder Steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig
abweichenden Zustandes ausreicht. Eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung
ist von dem Kl. aber nicht substantiiert dargelegt worden, da der Kl.
insbesondere nicht dargelegt hat, in welcher Form bei ihm durch die
Vereitelung des Umgangs am Kindergeburtstag nachteilige gesundheitliche
Beeinträchtigungen eingetreten sein sollen. Insbesondere reicht für die
Annahme von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht das Gefühl einer
bloßen Enttäuschung oder das Auftreten von Wut oder Empörung aus, wie auch
die Enttäuschung oder Empörung über eine Störung oder einen Abbruch einer
Hochzeitsfeier keinen Schmerzensgeldanspruch begründen können (vgl.
Palandt/Heinrichs, BGB, 5 253 Rz. 12, m. w. N.).
Zwar kann ein Anspruch auf Ersatz von immateriellem Schaden in Form von
Schmerzensgeldzahlung ausnahmsweise ohne Verletzung einer der in C 253 II
BGB genannten Rechtsgüter dann bestehen, wenn eine Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegeben ist. Denn ein Anspruch auf Ersatz
von ideellem Schaden besteht nach std. Rspr. des BGH auch bei einer
schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Insoweit ist allein 4 823 BGB i. V. mit Art. 1 I und 2 I GG — unter
Ausschluss des 5 253 II BGB — Anspruchsgrundlage.
Zwar ist nach Auffassung des Gerichts durch die von der Bekl. für den Kl.
bewirkte Vereitelung des Umgangs mit den Kindern am Kindergeburtstag der
Tochter L das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. beeinträchtigt worden.
Nach Auffassung des Gerichts ist diese Beeinträchtigung aber nicht so
schwerwiegend, dass sie die Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatz von
immateriellem Schaden in Form der Gewährung von Schmerzensgeld rechtfertigt.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Bekl. für den Kl.
eine Vereitelung des Umgangs mit den Kindern am Kindergeburtstag der Tochter
1. nicht bewusst zu dem Zweck bewirkt hat, um den Kl. in seinem
Persönlichkeitsrecht zu treffen oder ihn in irgendeiner Form bezüglich
seiner Persönlichkeit herabzusetzen; sondern allein aus widerstreitenden
Interessen der beiden Elternteile heraus, da die Bekl. den Geburtstag mit
den beiden Kindern zusammen feiern und gestalten wollte und zudem am
Muttertag des 9.5.2004 nicht von ihren Kindern getrennt sein wollte.
Angesichts dieser Umstände kann der nicht zielgerichtete Eingriff in das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. nicht als so schwerwiegend angesehen
werden, dass er die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen
immateriellem Schaden in Form der Gewährung von Schmerzensgeld rechtfertigt.
. . .